Mittwoch, 5. September 2007

Cachaca und Caipirinha



Die Caipirinha ist in der Regel nicht gerade des Bartenders liebstes Kind. In Deutschland macht sie uns seit mehr als 10 Jahren das Leben schwer. Zum Ende des letzten Jahrtausends war es unter Bartendern durchaus nicht unüblich Blasen in den Handinnenflächen (vom Stößeln) und völlig zerstörte Fingerkuppen (von der aggressiven Säure) zu haben. Wer sich einmal innerhalb einer Schicht ordentlich geschnitten hatte und im Anschluss weiter saftige Limetten verarbeiten durfte, wünschte sich nichts sehnlicher, als nie wieder dieses Getränk zubereiten zu müssen.

Die Caipirinha hat eine enorme Wandlung durchgemacht. Die Anfänge waren hart – Es gab nicht überall Limetten, so nahm man halbe Limetten oder es mussten schon mal Zitronen (!) für einen Drink herhalten. Der Anfängliche Crushed Ice Mangel hat sich flächendeckend gebessert und nun fangen viele Bartender an, das Getränke (wie in Brasilien) mit Würfeleis zuzubereiten. War es in der Sturm und Drang Zeit nicht immer nur Cachaca der sich in dem vermeintlichen Bauerntrunk wieder fand galt es früher ebenso schick eine gute Portion Roses Lime Juice und braunen Rohrzucker mit ins Getränk zu geben. Mittlerweile hat es sich rum gesprochen das man weißen (Farin) Rohrzucker zur Zubereitung dieses Brasilianischen Originales nimmt und jede weitere Zutat (z.B. Roses) nichts, aber auch gar nichts in diesem Getränk verloren hat.

Hatten findige Bar-Owner vor gut 10 Jahren mit dem XL, XXL und Supersize XXXL Caipirinhas begonnen und diese immer größer und immer billiger unters Volk gebracht – gilt dieser Drink nunmehr bei jedem ernstzunehmenden Barprofi als „Feind“ echter Trinkkultur. Die „Caipi“, so der Volksmund ist beim Volke angekommen – Die Caipi gilt als Getränk der Massen und oft ebend als Getränk des massenhaften Besäufnisses. Eine Caipirinha hat somit vermeintlich nichts in einer guten Bar zu suchen. Insbesondere aus dem Berliner Raum wurden in der Vergangenheit erste Stimmen laut die nicht ganz ohne Stolz verkündeten – in unserer Bar servieren wir keine Caipirinha.

Somit vermeintlich nahe liegend, das keine Caipirinha im Le Lion serviert wird?

Falsch – Anfang dieses Jahres wurden mir bei einem Cachaca Tasting von Mixology in der Kirk Bar Berlin die Augen geöffnet. Das Scampis nichts mit Cachaca zu tun haben war mir schon vor diesem Tasting klar. Eine Großzahl der „üblichen“ Verdächtigen wurde nach und nach in Glas gegeben, blind verkostet und für mehr oder weniger schlecht bis gut empfunden. Viele „neue“ Brands, Designlastig in der Aufmachung und mittelmäßig im Geschmack, waren angetreten der Caipirinha und einigen Batidas den Hof zu machen.
Ich fand keinen der angebotenen Brands erinnerungswürdig und hatte mit dem Thema schon fast abgeschlossen, als Jürgen Deibel ganz zum Schluss drei unscheinbaren Flaschen aus dem gleichen Haus – Armazem Vieira – ins Glas gab. Ich hatte Cachaca für mich entdeckt. Interessant waren völlig fremde grüne Aromen, bis hin zu z.B. Eukalyptus. Das liege am Holz – so Jürgen Deibel. Brasilien habe vor einiger Zeit entdeckt, das „Terroir“ des Cachaca ist nicht das Ausgangsprodukt Zuckerrohr, sondern die Vielfalt der teilweise seltenen Holzarten, die nur Brasilien zu bieten hat.
Seit diesem Tasting bin ich von diesen „neuen“ Cachacas begeistert. Leider kenne ich bislang in Deutschland erhältlich nur den Brand Armazem Vieira der diese neue Geschmacksvielfalt mit sich bringt. Derzeit gibt es Ihn in sechs Qualitäten … bei Produkten jenseits der 100 Euro, auch aus diesem Haus, möchte ich keine Empfehlung aussprechen. Empfehlen möchte ich hingegen die Qualität „Esmeralda” (Grápia und Ariribá Holz).
Durch eine Vielzahl an unbekannten Holzsorten, werden uns in naher Zukunft noch viele neue Eindrücke erwarten. Arrogant über diese „neuen“ Cachacas wegzusehen, könnte sich rächen – ich glaube Cachaca in bislang unbekannten Brasilianischen Edelhölzern gereift wird massive an Bedeutung gewinnen. Er wird seinem großem Bruder Rum ein echter Konkurrent werden.
Brasilien ist bemüht, das Produkt Cachaca schützen zu lassen und seine regionale Eigenart zu unterstreichen. Man erarbeitet gerade ein Art QBA/DOCG/AOC System, ähnlihc wie beim Wein. Kaisergranatqualitäten, die das Land nicht in der Flasche, sonderm im Container verlassen dürften dann bald nicht mehr Cacacha heißen, was diese aufgepumpten Krabbe als Marktführer aber nicht weiter interessieren sollte.

Armazem z.B. nennt die 10 wichtigsten Punkte für guten Cachaca – durchaus interessant:
1. Eine optimale Cachaça ist niemals industriell entstanden, sondern handgemacht.
2. Eine optimale Cachaça ist in brasilianischem Holz gereift. Die Holzsorte(n) sollten benannt sein. Eiche ist niemals ein Holz für traditionelle Cachaça.
3. Die Farbe einer optimalen Cachaça ist sanft gelb(-grün). Ist ihre Farbe bernstein oder braun, ist sie gefärbt, hat zuviel Stoffe vom Holz angenommen oder wurde in Eichenholz gelagert.
4. Ein Tropfen Cachaça kurz auf dem Handrücken verrieben und an der Luft getrocknet, muß nach dem Holz riechen, in dem sie gereift ist. Niemals darf es nach Alkohol riechen.
5. Die Registrierungsnummer des brasilianischen Ministeriums für Landwirtschaft ist die Garantie für zertifizierte Qualität und sollte auf dem Etikett vermerkt sein. Damit ist auch gleichzeitig die Abfüllung in Brasilien bestätigt. Dies gilt nur, wenn der Barcode mit 789… beginnt. Beginnt er mit einer anderen Zahlenfolge, hat die Abfüllung nicht in Brasilien stattgefunden. Trotzdem angegebene Registrierungsnummern sind dann ohne Bedeutung.
6. Optimale Cachaça ist frei von Zuckerzusatz (Zuckerbeigabe ist ab 6g Zucker pro Liter sogar erkennbar durch den Zusatz „adoçada“, vorausgesetzt die Cachaça wurde überhaupt in Brasilien abgefüllt) – siehe Etikett.
7. Die Reifedauer sollte als eindeutige Zahl von Jahren genannt sein.
8. Der Alkoholgrad einer optimalen Cachaça darf 39% nicht unterschreiten. Weniger weist auf eine massenorientierte Destillation hin.
9. Eine optimale Cachaça ist nur dort zu finden, wo eine umfassende Beratung stattfindet oder wo zumindest Informationsmaterial zur Verfügung steht.
10. Eine optimale Cachaça entsteht immer sozial verantwortlich – zum Beispiel ohne Kinderarbeit. Der Hersteller sollte dazu eindeutig Stellung nehmen können.
Eine Caipirinha mit solcehn guten Tropfen gleicht eher einem Ti-Punch. Guter Cachaca, mit einigen Spritzern frischen Limettensafts und etwas Zucker auf Eiswürfeln gerührt ist eine bis dato oft unbekannte Geschmacksdimension. Eine zerdrückte Limette, Löffelweise Zucker und crushed ice sind bei der „neuen“ Caipirinha fehl am Platze.
Eine gute Bar kann somit wieder Caipirinha anbieten, muss ihn auf Grund der Bekanntheit, aber nicht unbedingt auf der Karte haben. Die Angebotene Caipirinha sollte nicht besonders groß und/oder besonders billig sein – Sie sollte ausgesprochen gut sein und darf somit ruhig ausgesprochen hochpreisig sein.

Links – Lesenwertes:
Derzeit sind alle sechs Qualitäten bei Weinquelle Lühmann erhältlich

Bastian Heuser, Barworkz,  “Particular Findings About the Caipirinha”

Einen interesanten Artikel zum Thema Cachaca von Brian Morgan: Brazilian Cachaca

Jürgen Deibel – Spirituosenexperte
Fragen:
Welchen Cachaca gibt es in Ihrer Bar?
Welchen Cachaca möchten Sie Empfehlen?
Meinungen zum Thema Cachaca und Caipirinha sind gefragt!

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