Freitag, 24. August 2007

Tod eines Kulturgutes: Der Aschenbecher Service

Herr Adam berichtete heute über die Aktion “Sammelklage gegen Rauchverbot in Baden Württemberg.

Das von Ihm hiefür genutzte Bild lies Vermuten: die Mixology Redaktion ist von Phillip Morris gekauft und die Berichterstattung ist nur Blendfeuer zur Verwirrung des Feindes. Nun denn – Scherz beiseite.
Hatte Herr Adam doch niederträchtiger Weise den Aschenbecher des Kollegen Jens H. und der Kollegin Tanja B. entwendet und für ein reißerisches „Raucher sind ekelig“ Stimmungsmacher Bild missbraucht, kommt einem gestandenen BARBAUblogger doch gleich ein anderer Gedanke:

Was ist eigentlich mit dem Aschenbecher? Und dem Aschenbecher Service?

Mit dem Rauchverbot wird auch der Aschenbecher vom Tisch des Gastes verschwinden. Dabei erfüllte dieser treue Geselle doch weit mehr Funktionen als profanes Asche sammeln. Ein echtes Kulturgut verlässt den Gastraum und viele der jetzigen Rädelsführer werden Ihn sich irgend wann einmal wieder herbei wünschen. Zum einem ist er oft das letzte Stück, was überhaupt in design lastigen Häusern auf dem Tisch stehen darf. Ebenso in meiner kleinen Bar. Einzig und allein ein Aschenbecher, schöner Kristall, groß, auch für Zigarren, ziert die Tische. Nun sind sie leer, fast nackt und ich weiss nicht so recht, was jetzt auf die Tisch soll? Hat jemand eine Idee?
Die Tische dominieren den Raum plötzlich in einer unerträglichen Art und ohne den Kristall ascher ist die Optik einfach dahin.
Zum anderen wird einer der ganz großen, oft unterschätzten und vielfach belächelten Servicestandards in der Gastronomie still und heimlich zu Grabe getragen: der Aschenbecherservice.
In gehobenen Häusern gilt eine Zigarette als „Aschenbecher ist voll und muss umgehend gewechselt werden“. Zwei sind ein fast unverzeihlicher Zufall, dessen Wiederholung unbedingt vermieden werden muss und drei, ja drei „Kippen“, gelten in jedem guten Haus als rechtlich anerkannter Grund für eine letzte Verwarnung oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Wie wollen Sie den jetzt bitte schön die Servicequalität messen? Am Weinservice? Vergessen Sie es – trinkt ja eh keiner mehr. Raucher! Ja das waren noch echte Tester, die Ihre Servicebrigade gefordert haben und in unmöglichsten Moment durch das Entzünden einer Zigarette testeten, ob der devote Kellner nicht nur devot sondern auch aufmerksam war.
Der Aschenbecher Service gilt inoffizielle als Königsklasse des Profi Kellners – nur er schafft es, in voll besetzter Station kein einziges mal eine zweite „Kippe“ im Kristall landen zu sehen.
Konnte man als geübter Gast doch schon an der Art und Weise des Aschenbecher Services erkennen, ob der Barkellner „Vom Fach“ war oder lediglich „als Aushilfe“ jobbte.
Als Aufnahmerituale bei den Traveling Mixologists gilt es für jeden „Neuling“ einen Abend lang erstklassigen Aschenbecher „Floor“ Service ohne Wenn und Aber – Ohne Fehl und Tadel- auf die Beine zu stellen. Auch diese Tradition ist somit vom Aussterben bedroht und wir überlegen schon, wie die Fähigkeiten eines Bartender hätte besser prüfen können als durch das gekonnte Wechseln eines Aschenbechers. Helmut Adam hat in Köln echte Perfektion unter Beweis gestellt und ich möchte fast sagen, er gilt als einer der erfahrensten Aschenbecher Wechsler des Landes!
Da verlässt er also die Bühne, der Benchmark Test für jeden ernst gemeinten Service – ganz ohne Applaus und Vorhang. Das hat er nicht Verdient, der Aschenbecher.
Ich werde trotzdem ein paar Aschenbecher, schöne Große, aus Kristall, auch für Zigarren, für Le Lion kaufen. Wer weis, vielleicht werden wir gelegentlich, zu ganz später Stunde, das dringende Bedürfnis nach einer guten Zigarre haben, uns unseren Feierabend Drink zubereiten, die Tür zusperren und ganz in Ruhe eine Zigarre rauchen. Und dann werden wir unsere jungen Bartender in eine jahrhunderte alte Tradition echter Kellnerkunst einweihen – den Aschenbecher Service.
Text: Jörg Meyer
Bild von und Dank an: Helmut Adam

Nachtrag: Von Helmut Adam erreicht mich folgender Text…

Das übergreifende Aschenbecherwechseln
Für das sogenannte “übergreifende Aschenbecherwechseln” nehme man einen Aschenbecher in die Handfläche der freien Hand und setze ihn Öffnung-auf-Öffnung auf den vollen Aschenbecher am Tisch. Gleichzeitig nehme man den unteren, vollen Aschenbecher in den Griff der Hand mit auf, und hebe ihn so auf sein Tablett. Hernach stelle man den sauberen Aschenbecher, den man weiterhin in der Hand behält, mit einer sich sofort anschließenden, fließenden Bewegung in die Mitte des Tisches, genau an die Stelle, an der vorher das volle Exemplar gestanden hat.
Während des ganzen Vorganges, der nur maximal 2 Sekunden dauern sollte, frage der Barmann mit einem freundlichen Blick in die Runde der Gäste, ob man zufrieden sei oder noch einen Wunsch habe. Damit wird die souveräne Technik, die Aschenflug beim Ausheben des vollen Aschenbechers verhindert, zu einem kunstvoll-souveränen und kommunikativen Akt.
Das übergreifende Aschenbecherwechseln ist nur mit Aschenbechern einer adäquaten Größe durchführbar. Es empfiehlt sich nicht bei sehr schweren Exemplaren und Zigarrenaschenbechern. In diesen Fällen behilft sich der versierte Barmann mit dem “abdeckenden Aschenbecherwechseln”, das er unter Zuhilfenahme einer Cocktailserviette vollzieht, die über die Öffnung des vollen Aschenbechers gelegt wird, bevor dieser ausgehoben wird.
Das Wechseln eines vollen Aschenbechers mit der profanen Stapel-Technik, bei der die Unterseite des sauberen Aschenbechers auf die offene, obere Seite des vollen Aschenbechers gesetzt wird, wird vom professionellen Aschenbecherwechsler zu Recht verachtet. Besteht dabei doch die Gefahr, dass die Unterseite des sauberen Aschenbechers mit der Asche des vollen Aschenbechers in Berührung bekommt und danach beim Einstellen auf den Tisch diesen mit seiner Unterseite verschmutzt.”

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